5. PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN
5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften
Pharmakotherapeutische Gruppe:
Sultamicillin ist ein oral applizierbarer Ester aus Ampicillin und dem Betalaktamase-Inhibitor Sulbactam, der im Körper schnell in seine beiden Komponenten gespalten wird.
Ampicillin ist ein halbsynthetisches, nicht Betalaktamase-festes Aminopenicillin. Sulbactam ist ein in seiner Struktur dem Ampicillin und anderen Penicillinen verwandter Betalaktamase-Inhibitor.
ATC-Code: J01CR04
Wirkmechanismus
Der Wirkungsmechanismus von Ampicillin beruht auf einer Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese (in der Wachstumsphase) durch Blockade der Penicillin-bindenden Proteine (PBPs) wie z. B. der Transpeptidasen. Hieraus resultiert eine bakterizide Wirkung.
In Kombination mit Sulbactam wird die Inaktivierung von Ampicillin durch bestimmte Betalaktamasen gehemmt. Sulbactam schützt Ampicillin vor dem Abbau durch die meisten Betalaktamasen von Staphylokokken sowie einigen plasmidkodierten Betalaktamasen (z. B. TEM, OXA, SHV, CTX-M) und bestimmten chromosomalkodierten Betalaktamasen von Gram-negativen Bakterien. Diese Betalaktamasen kommen z. B. bei Escherichia coli, Klebsiella spp., Proteus mirabilis und Haemophilus influenzae vor. Das antibakterielle Wirkungsspektrum von Ampicillin wird um Bakterien erweitert, deren Betalaktamasen durch Sulbactam hemmbar sind.
Beziehung zwischen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik
Die Wirksamkeit hängt im Wesentlichen von der Zeitdauer ab, während der der Wirkstoffspiegel von Ampicillin oberhalb der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des Erregers liegt.
Resistenzmechanismen
Eine Resistenz gegenüber Ampicillin/Sulbactam kann auf folgenden Mechanismen beruhen:
—Inaktivierung durch Betalaktamasen: Ampicillin/Sulbactam besitzt keine ausreichende Aktivität gegen Betalaktamase-bildende Bakterien, deren Betalaktamasen durch Sulbactam nicht gehemmt werden.
—Reduzierte Affinität von PBPs gegenüber Ampicillin: Die erworbene Resistenz bei Pneumokokken und anderen Streptokokken gegenüber Ampicillin/Sulbactam beruht auf Modifikationen vorhandener PBPs als Folge einer Mutation. Methicillin (Oxacillin)-resistente Staphylokokken sind aufgrund der Bildung eines zusätzlichen PBPs mit verminderter Affinität gegenüber Ampicillin und allen anderen Betalaktam-Antibiotika resistent.
—Unzureichende Penetration von Ampicillin durch die äußere Zellwand kann bei Gram-negativen Bakterien dazu führen, dass die PBPs nicht ausreichend gehemmt werden.
—Durch Effluxpumpen kann Ampicillin aktiv aus der Zelle transportiert werden.
Eine partielle oder vollständige Kreuzresistenz von Ampicillin/Sulbactam besteht mit Penicillinen, Cephalosporinen sowie anderen Betalaktam/Betalaktamase-Inhibitor-Kombinationen.
Grenzwerte
Definitionen – S: sensibel bei Standardexposition; I: sensibel bei erhöhter Exposition; R: resistent
Die Testung von Ampicillin/Sulbactam erfolgt unter Verwendung einer Verdünnungsreihe von Ampicillin in Anwesenheit einer konstanten Konzentration von 4 mg/l Sulbactam. Folgende minimale Hemmkonzentrationen für sensible und resistente Keime wurden festgelegt:
EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing) Grenzwerte für Ampicillin/Sulbactam (v. 13.0)
Die I-Kategorie wird nicht angezeigt. Die minimalen Hemmkonzentrationen der I-Kategorie liegen zwischen den Grenzwerten der S- und R-Kategorie.
1) Zum Zwecke von Empfindlichkeitstests wurde die Sulbactam-Konzentration auf 4 mg/l festgelegt.
2) Für Staphylococcus spp. wird das Testergebnis von Oxacillin bzw. Cefoxitin übernommen. Methicillin (Oxacillin/Cefoxitin)-resistente Staphylokokken werden unabhängig vom Testergebnis als resistent gewertet.
3) Für Streptococcus spp. (Gruppen A, B, C, G) wird das Testergebnis von Penicillin G übernommen.
4) Für Streptococcus pneumoniae wird das Testergebnis von Ampicillin übernommen.
* Basieren hauptsächlich auf der Serumpharmakokinetik (siehe www.nak-deutschland.org)
Prävalenz der erworbenen Resistenz in Deutschland
Die Prävalenz der erworbenen Resistenz einzelner Spezies kann örtlich und im Verlauf der Zeit variieren. Deshalb sind - insbesondere für die adäquate Behandlung schwerer Infektionen - lokale Informationen über die Resistenzsituation erforderlich. Falls auf Grund der lokalen Resistenzsituation die Wirksamkeit von Ampicillin/Sulbactam in Frage gestellt ist, sollte eine Therapieberatung durch Experten angestrebt werden. Insbesondere bei schwerwiegenden Infektionen oder bei Therapieversagen ist eine mikrobiologische Diagnose mit dem Nachweis des Erregers und dessen Empfindlichkeit gegenüber Ampicillin/Sulbactam anzustreben.
Prävalenz der erworbenen Resistenz in Deutschland auf der Basis von Daten der letzten 5 Jahre aus nationalen Resistenzüberwachungsprojekten und –studien (Stand: April 2023):
° Bei Veröffentlichung der Tabelle lagen keine aktuellen Daten vor. In der Primärliteratur, Standardwerken und Therapieempfehlungen wird von einer Empfindlichkeit ausgegangen.
# Auf Intensivstationen liegt die Resistenzrate bei ≥ 10 %.
£ Alle Methicillin-resistenten Staphylokokken sind gegenüber Ampicillin/Sulbactam resistent.
+ In mindestens einer Region liegt die Resistenzrate bei über 50 %.
^ Sammelbezeichnung für eine heterogene Gruppe von Streptokokken-Spezies. Resistenzrate kann in Abhängigkeit von der vorliegenden Streptokokken-Spezies variieren.
Θ Keine aktuellen Daten vorhanden; in Studien (älter als 5 Jahre) wird der Anteil resistenter Stämme mit < 10 % angegeben.
' Im ambulanten Bereich liegt die Resistenzrate bei < 10 %.
5.2 Pharmakokinetische Eigenschaften
Nach oraler Gabe wird Sultamicillin während des Resorptionsvorgangs hydrolysiert, sodass Ampicillin und Sulbactam in einem molaren Verhältnis von 1 : 1 im Blutkreislauf erscheinen (375 mg Sultamicillin entsprechen 220 mg Ampicillin und 147 mg Sulbactam). Durch die Veresterung wird eine hohe orale Bioverfügbarkeit beider Stoffe ermöglicht.
Die Serumspiegelspitzenkonzentrationen von Ampicillin nach Verabreichung von Sultamicillin sind etwa doppelt so hoch wie nach einer gleichen oralen Dosis von Ampicillin.
Die pharmakokinetischen Parameter nach Gabe von Sultamicillin-Einzeldosen an gesunde Probanden sind der Tabelle zu entnehmen.
Tabelle: Pharmakokinetische Parameter nach Gabe von Sultamicillin-Einzeldosen an gesunde Probanden
Bei älteren Patienten und solchen mit eingeschränkter Nierenfunktion sind die Halbwertszeiten verlängert. Daher ist auch bei Früh- und Neugeborenen mit einer verminderten Fähigkeit zur Ausscheidung von Sultamicillin zu rechnen. Gegebenenfalls ist die Dosis zu reduzieren (siehe Abschnitt 4.2). Die Ausscheidung von Ampicillin und Sulbactam wird aber in gleicher Weise verzögert, sodass die Konzentrationsverhältnisse von Sulbactam zu Ampicillin konstant bleiben.
Bioverfügbarkeit
Die absolute Bioverfügbarkeit sowohl von Sulbactam als auch von Ampicillin beträgt nach oraler Gabe von Sultamicillin etwa 80 bis 85 %. Die Bioverfügbarkeit von Sultamicillin wird durch eine vorherige Nahrungsaufnahme nicht beeinflusst.
5.3 Präklinische Daten zur Sicherheit
Aus den Untersuchungen zur chronischen Toxizität liegen keine Erkenntnisse vor, die zu dem Verdacht führen, dass beim Menschen bisher unbekannte Nebenwirkungen auftreten könnten. Die Genotoxizitätsprüfungen zu Ampicillin ergaben keine relevanten Anhaltspunkte hinsichtlich eines mutagenen oder klastogenen Potenzials. Langzeitstudien zum tumorerzeugenden Potenzial liegen nicht vor. Embryotoxizitätsstudien nach i.v.-Gabe an Ratten und Kaninchen ergaben keine Anhaltspunkte für ein teratogenes Potenzial oder andere pränatale Effekte. Bei Mehrfachdosisstudien bis zu 13 Wochen an Ratten und Hunden (2 mg/kg/Tag) traten keine Auswirkungen auf die Eierstock- und Hodenhistologie auf. Reversible Spermatogenesestörungen sind bei Hunden nach oraler Gabe von 200 mg/Tag über 4 Wochen beschrieben.
6. PHARMAZEUTISCHE ANGABEN
6.1 Liste der sonstigen Bestandteile
Croscarmellose-Natrium
Crospovidon Typ A
Hyprolose
Magnesiumstearat (Ph. Eur.)
Talkum
Lactose
Hypromellose
Mikrokristalline Cellulose
Macrogolstearat 2000
Titandioxid
6.2 Inkompatibilitäten
Inkompatibilitäten sind bisher nicht bekannt.
6.3 Dauer der Haltbarkeit
2 Jahre
Nach Ablauf des auf der Packung angegebenen Verfallsdatums darf Sultamicillin-ratiopharm® nicht mehr verwendet werden.
6.4 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung
Nicht über 25 °C lagern.
In der Originalverpackung aufbewahren, um den Inhalt vor Feuchtigkeit zu schützen.
6.5 Art und Inhalt des Behältnisses
Blisterpackung (Aluminium Folie und OPA/ALU/PVC)
Packung mit 10 Filmtabletten
Packung mit 20 Filmtabletten
Es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht.
6.6 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung und sonstige Hinweise zur Handhabung
Nicht verwendetes Arzneimittel oder Abfallmaterial ist entsprechend den nationalen Anforderungen zu beseitigen.
7. INHABER DER ZULASSUNG
ratiopharm GmbH
Graf-Arco-Str. 3
89079 Ulm
8. ZULASSUNGSNUMMER
76292.00.00
9. DATUM DER ERTEILUNG DER ZULASSUNG//VERLÄNGERUNG DER ZULASSUNG
Datum der Erteilung der Zulassung: 09. September 2011
Datum der letzten Verlängerung der Zulassung: 27. April 2016
10. STAND DER INFORMATION
Juni 2023
11. VERKAUFSABGRENZUNG
Verschreibungspflichtig